Schwimm-EM: Essener Wierling setzt auf Tipps aus Australien (Pressespiegel)

13/12/2017

Heute in der WAZ/NRZ – Sport von Melanie Meyer

Damian Wierling startet am Mittwoch bei der Schwimm-EM auf der Kurzbahn. Der Meister aus Essen kommt von einer Spionage-Tour in Australien. Damian Wierling hat alles richtig gemacht. Während im Ruhrgebiet nasskaltes Wetter, Schnee und eisiger Wind den November und Dezember prägen, hat der 21-jährige Mülheimer die letzten drei Wochen an einem Ort verbracht, der schon beim Aussprechen warme Gedanken macht: Gold Coast.

Im Surferparadies an Australiens Ostküste war Damian Wierling, Meister-Schwimmer von der SG Essen und deutscher Rekordhalter über 50 Meter Freistil, zum Arbeiten – und zum Spionieren.

Pünktlich zur Kurzbahn-Europameisterschaft, die heute in Kopenhagen beginnt, ist er wieder zurück. Mitgebracht hat er einen Jetlag und viel Erfahrung. Damian Wierling hat im Schwimm-Nationalteam Australiens, das mehrere WM- und Olympia-Mediallengewinner zählt, hospitiert. Unter der australischen Sonne hat er sich Einiges abgeschaut – zum Beispiel: häufiger längere Distanzen zu trainieren, obwohl er Sprint-Spezialist ist.

Was Wierling und sechs weitere deutsche Schwimmer am anderen Ende der Welt erlebt haben, soll auf lange Sicht die Schmach vergessen lassen, die sich vor vier Monaten in Budapest ereignete. Bei der Weltmeisterschaft setzte es für den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) das schlechteste Abschneiden der WM-Geschichte. Nur Franziska Hentke holte eine Silbermedaille. Sie führt mit Kurzbahn-Doppelweltmeister Marco Koch und Philip Heintz das deutsche EM-Aufgebot an.

Bundestrainer Henning Lambertz ist überzeugt: „Wir haben ein starkes Team am Start. Man muss fünf, sechs Athleten im Blick haben, die gute Chancen auf ein Finale haben und dort auch vorne landen könnten.“

Einer von ihnen ist Damian Wierling. Nach seiner Rückkehr aus Australien hat sein Akzent noch die typische, lang gezogene Satzmelodie, wie man sie bei Menschen hört, die viel Englisch sprechen. Auf charmante Art mischt sich dann der Klang des Ruhrgebiets hinzu. Auf die Frage, wie es ihm gehe, kommt ein langes: „Ooooch.“ Müde ist er. Der Alltag Down Under war anders als in Essen. „Wir sind jeden Tag um 4.30 Uhr aufgestanden und sind um 5.15 Uhr ins Wasser gesprungen“, erzählt er, „immerhin war es da schon hell.“ Ins Wasser gesprungen – als wäre seine Kunst so leicht. Dabei arbeitete er so hart, dass er jeden Abend früh schlafen ging.

Trotzdem hat Damian Wierling die Zeit genossen. Die Einladung kam von einem Konkurrenten. „Das hat sich in Rio ergeben“, sagt der Olympia-Finalist mit der Lagen-Staffel, „am letzten Abend habe ich da den Australier Cameron McEvoy getroffen. Ich war total überrascht, dass er mich kannte. Da habe ich mich sehr geehrt gefühlt. Er meinte: Komm doch mal vorbei, und wir trainieren zusammen.“ Trainer Lambertz organisierte das Nötige, „so wurde eine DSV-Maßnahme daraus“, so Wierling.

Es gab vier Standorte. Dort, wo Wierling und seine Kollegin Alexandra Wenk gastierten, trainieren 70 Prozent des australischen Nationalteams. „Das sind sehr offene, freundliche Menschen – so ist deren Mentalität“, sagt Wierling.

Eine Grenze gab es dennoch: „Da war ein Institut, da durften wir nicht rein“, erzählt Wierling. Dort absolvierten Top-Stars wie Cameron McEvoy und Madison Wilson ihre Athletik-Übungen. „Ansonsten haben wir alles genauso gemacht wie die Australier“, berichtet Wierling. Sogar als er anfing, Trainingspläne abzufotografieren, „weil wir es für unsere Dokumentation im DSV brauchen“, habe der australische Trainer „etwas gezuckt — das ging dann aber auch“.

Zur WM-Vorbereitung im nächsten Winter will Damian Wierling wiederkommen. „Ich hoffe auf eine Vorbereitung in der Sonne. Da werde ich auch weniger krank.“

Doch zunächst konzentriert er sich auf das Becken im kalten Kopenhagen. „Ich will das Jahr zügig beenden“, sagt er und meint das im Sinne von: Bestzeit schwimmen.